Eine der bekanntesten Erzählungen der Schwarzen Romantik ist Der Sandmann des Schriftstellers E.T.A. Hoffmann. Die Schwarze Romantik ist einer Unterströmung der Romantik, die zum Ende des 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Der Sandmann – im Sinne der Schwarzen Romantik oft auch als Schauerroman klassifiziert – entstand im Jahr 1816 als erstes Werk des Zyklus Nachtstücke.
Struktur und Zusammenfassung
Der Roman besteht aus mehreren erzählerischen Elementen. Zum einen tauchen drei Briefe auf, die von zwei unterschiedlichen Protagonisten verfasst sind. Zum anderen enthält der Text den Bericht eines unbekannten Erzählers, in Ich-Form abgefasst.
Im Zentrum der Handlung steht als Hauptprotagonist der Student Nathaniel, der von einem Kindheitstrauma geplagt wird. Im Rahmen der Handlung vermutet Nathaniel, in der Gestalt von Coppola, eines Wetterglashändlers, in Wirklichkeit den Advokaten Coppelius wiedergetroffen zu haben. In seiner Erinnerung hat Coppelius mit seinem Vater an alchemistischen Experimenten gearbeitet, was schließlich zum Tod des Vaters führte. Die traumatischen Erinnerungen aus dieser Zeit verfolgen Nathaniel bis in die Gegenwart.
In der Folge assoziiert er mit Coppola die monsterhafte Figur des Sandmanns, ein Ungeheuer, das Kindern die Augen herausreißt. Clara, seine Verlobte, ordnet Nathaniels Visionen seiner überbordenden Phantasie zu und drängt ihn, sie zu zügeln. Doch Nathaniel versinkt immer tiefer in der von ihm selbst geschaffenen Phantasiewelt, worin der Sandmann zurückgekehrt ist, um ihn zu töten. Als Ergebnis seiner wahnhaften Entwicklung sieht Nathaniel schließlich nur den Freitod, den er durch den Sprung vom Rathausturm in die Tat umsetzt.
Inhalt
Das Buch beginnt mit den drei Briefen, die der anonyme Erzähler an den Anfang stellt – als Ergebnis seiner Suche nach der richtigen Art und Weise, die Geschehnisse wahrheitsgetreu und nachvollziehbar zu vermitteln.
Erster Brief
Dieser Brief ist von Nathaniel verfasst und an seinen Ziehbruder Lothar gerichtet. Durch einen Fehler, gegründet auf die fortschreitende Verwirrung Nathaniels, gelangt das Schreiben allerdings in die Hände seiner Verlobten Clara.
Nathaniel berichtet darin erregt über sein Zusammentreffen mit dem Wetterglashändler in seiner Wohnung. Bewusst in Kauf nehmend, dass Clara und deren Familie ihn kindisch nennen könnten, berichtet er dennoch von dem Schrecken, in den ihn die Begegnung versetzt hat, da er mit ihr eine unheilvolle Person aus seiner Kindheit verbindet. Dabei handele es sich um den Advokaten Coppelius, einem Vertrauten seines Vaters, mit dem er sich in alchemistische Experimente vertieft habe.
Nachdem es in diesem Zusammenhang zu einer durch Coppelius verschuldete Explosion gekommen sei, bei der Nathaniels Vater zu Tode kam, sei Coppelius bereits verschwunden gewesen. Durch eine verhängnisvolle Gedankenverbindung hält Nathaniel nun Coppola für den Mörder seines Vaters.
Die Schreckgestalt des Sandmanns, der nachts zu den Kindern kommt, um ihnen die Augen herauszureißen, und die Nathaniel bereits als Kind mit Coppelius assoziiert hat, kehrt nun im Rahmen seiner zunehmenden Wahnvorstellungen in der Gestalt des Wetterglashändlers zu ihm zurück – als Menetekel eines nahenden Unheils. Nathaniel entschließt sich, der Zwittergestalt Coppola-Coppelius den Kampf anzusagen und auf diese Weise den Tod des Vaters zu rächen.
Zweiter Brief
Dieser Brief kommt von Clara als Reaktion auf den ihr versehentlich zugegangenen Brief Nathaniels. Sie äußert die Vermutung, die Wahnvorstellungen Nathaniels seien letztendlich auf sein kindliches Gemüt zurückzuführen und fügt den Rat an, Coppelius und Coppola aus seinen Gedanken zu verbannen und sich auf sein eigenes, zielbewusstes Leben zu konzentrieren.
Dritter Brief
In seinem Brief an Lothar berichtet Nathaniel von seinem Zusammentreffen mit Olympia, der Tochter seines Professors Spalanzani in dessen Wohnung. Er beschreibt das Mädchen als Wesen von großer Schönheit, doch mit starrem Blick, so als würde sie mit offenen Augen schlafen.
Der Bericht des Erzählers
Nach einigen Betrachtungen über Nathaniels Hintergrund und seine Lebensumstände berichtet der Erzähler, wie Nathaniel und Clara nach dem Tod von Nathaniels Vater Aufnahme in seiner Familie gefunden hatten. Die beiden jungen Menschen waren sich von Anfang an zugetan und feierten noch vor Nathaniels Studienantritt Verlobung.
Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt zeigt sich Nathaniel unter dem Eindruck der Begegnung mit Coppola in düsterer Stimmung, sehr zum Unwillen Claras, die der Vernunft zugetan ist.
Nach der Abreise in die Stadt G. zur Fortsetzung des Studiums muss Nathaniel feststellen, dass das Haus, in dem seine Wohnung lag, niedergebrannt ist, verursacht durch ein Feuer in der Apotheke unterhalb der Wohnung. Er findet eine neue Unterkunft gegenüber dem Haus Spalanzanis, seines Professors.
Nathan, der oft durch das Fenster Spalanzanis schöne Tochter Olympia am Tisch sitzen sieht, erhält unvermittelt den Besuch Coppolas. Er überwindet die versuchte Abweisung Nathaniels, betritt dessen Zimmer und bietet ihm ein schön gearbeitetes Taschenperspektiv (Opernglas) zum Kauf an. Beim Blick durch das Glas entdeckt er in Olympias sonst reglosen Augen etwas, das er als „feuchte Mondesstrahlen“ bezeichnet.
Fasziniert erwirbt Nathaniel das Glas. Durch die ständige Beobachtung Olympias beherrscht das rätselhafte Mädchen mehr und mehr seine Vorstellung, während das Bild Claras verblasst.
Bei einem Fest im Hause des Professors spürt Nathaniel die Kälte von Olympias Händen, erhält aber weder bei seinen Gesprächen mit ihr noch bei einem verstohlenen Kuss eine angemessene Reaktion. Der Erzähler berichtet von ihren eiskalten Lippen, die die glühenden Lippen Nathaniels berühren. Dies hält Nathaniel nicht davon ab, Spalanzani bald darauf um die Hand seiner Tochter zu bitten.
Bei einem Streit zwischen Spalanzani und Coppola, bei dem es zu Tätlichkeiten kommt, stellt sich schließlich durch einen Unfall heraus, dass Olympia nur eine Puppe ist, deren Augen von Coppola gefertigt wurden. Nathaniel, der Coppola angesichts der am Boden liegenden Augen verdächtigt, sie Olympia gestohlen zu haben, versucht, ihn zu ermorden. Das Vorkommnis führt zu seiner Einweisung in ein Tollhaus. Spalanzani wird wegen Betruges der Universität verwiesen. Coppola ist spurlos verschwunden.
Nach seiner scheinbaren Heilung kehrt Nathaniel zurück und trägt sich – nun offenbar wieder bei klarem Verstand – mit der Absicht, Clara zu heiraten. Bei einem Spaziergang beschließen beide, auf den Rathausturm zu steigen und die Landschaft zu betrachten. Oben angekommen, weist Clara Nathaniel auf einen sich nähernden grauen Busch hin. Nathaniel zieht das Perspektiv von Coppola aus der Tasche. Als er Clara durch das Glas betrachtet, greift wieder der Wahnsinn nach ihm. Er versucht, Clara vom Turm zu stürzen, was in letzter Sekunde durch Lothar verhindert wird. Daraufhin stürzt sich der umnachtete Nathaniel in den Tod, während Coppola in der Menge untertaucht.
Abschließend berichtet der Erzähler, dass Clara das ruhige häusliche Glück in der familiären Geborgenheit mit Ehemann und zwei Kindern doch noch gefunden zu haben scheint – zumindest scheine man sie in einer fernen Gegend erkannt zu haben. Gewissheit über ihr Schicksal sei allerdings nicht zu erlangen.
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