Der katholische Ordensgeistliche Abraham a Sancta Clara (1644 – 1709) nimmt in der deutschen Literaturgeschichte des Barocks eine besondere Stellung ein. Die von Abraham a Sancta Clara geschriebenen Predigten, Traktate und sonstigen Schriften zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Wortkraft, Originalität und Volksnähe aus. Als Prediger hat Abraham a Sancta Clara eine Popularität erreicht, die mit der eines heutigen Popstars vergleichbar ist. Zu Abraham a Sancta Claras Beliebtheit in der Bevölkerung trug nicht nur seine volksnahe Sprache bei, sondern auch, dass er sich nicht scheute, soziale Ungerechtigkeiten anzusprechen. Auf der anderen Seite stellte er das politische System seiner Zeit nicht grundsätzlich infrage und genoss die Sympathie des Habsburger Herrschers Leopold. Zur Gesamtwürdigung Abraham a Sancta Claras gehören aber nicht nur positive Aspekte, sondern auch dunkle Seiten wie sein ausgeprägter Antjudaismus, der sich in vielen seiner Werke niedergeschlagen hat.
Abraham a Sancta Clara ist zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges am 2. Juli 1644 in dem oberschwäbischen Dorf Kreenheinstetten zur Welt gekommen. Das heute zur 2000-Einwohner-Gemeinde Leibertingen (Kreis Sigmaringen) gehörende Kreenheinstetten war damals Teil der Grafschaft Meßkirch, die wiederum seit 1627 eine der Herrschaften des in mehreren Linien aufgespaltenen Grafen- beziehungsweise seit 1664 Fürsten-Geschlechts der Fürstenberger war. Abraham a Sancta Claras ursprünglicher Name war Johann (oder Hans) Ulrich Megerle. Wie alle Bewohner von Kreenheinstetten hatte auch Johann Ulrichs Familie den Leibeigenen-Status. Johann Ulrich Megerle wuchs in derb-dörflicher Umgebung als Sohn des recht wohlhabenden Lehnsbauern und Gastwirts Matthäus Megerle auf. Der aufgeweckte Johann Ulrich besuchte auf Empfehlung des örtlichen Pfarrers die gräfliche Schlossschule in Meßkirch.
Entscheidend für den weiteren Lebensweg des Dorfjungen wurde die Förderung durch seinen Onkel Abraham Megerle, einem 1652 geadelten Geistlichen und Hofkapellmeister. Der einflussreiche Onkel ermöglichte seinem Neffen den Besuch des Salzburger Benediktiner-Gymnasiums. 1662 trat Johann Ulrich Megerle in den Reform-Orden der Augustiner-Barfüßler ein, nahm den Ordensnamen „Abraham a Sancta Clara“ an, studierte danach Theologie und Philosophie in Wien, Ferrara und Prag und wurde 1666 (oder 1668) in Wien zum Priester geweiht.
Der junge Priester machte sich bald in Wien und Umgebung einen Ruf als begnadeter Kanzelredner, dessen „dem Volk aufs Maul geschauten“ Predigen wegen ihres Witzes und der Wortspiele sehr beliebt wurden. Dabei ging der durch seine kräftige Statur und tönende Stimme schon rein körperlich beeindruckende Abraham a Sancta Clara als „Volkserzieher“ keineswegs sanft mit seinen Zuhörern um. Er prangerte scharfzüngig immer wieder die Laster seiner Schäflein wie Trunkenheit, Neid und Raffgier an und forderte energisch die Einhaltung christlicher Tugend- und Mäßigungsgebote ein. 1677 ernannte ihn Kaiser Leopold I. zu seinem Hofprediger. Während der dreimonatigen Belagerung Wiens durch die Türken im Sommer 1683 hielt sich Abraham a Sancta Clara in Graz auf. Unter anderem durch Predigtschriften von ihm, die in das belagerte Wien geschmuggelt wurden, rief er die Bevölkerung zum Durchhalten auf.
In Abraham a Sancta Claras letztem Lebensabschnitt nahmen neben seiner Tätigkeit als Prediger Aufgaben als Prior in Wien und Graz sowie ab 1689/1690 als Provinzial der deutsch-böhmischen Ordensprovinz weiten Raum ein. Außerdem entstand in dieser Zeit ein Großteil seiner etwa 600 überlieferten Werke. Am 1. Dezember 1709 ist Abraham a Sancta Clara in Wien gestorben. An den begnadeten Prediger erinnern heute unter anderem eine Gedenkstätte in seinem Geburtsort und ein Denkmal am Wiener Opernring.
Als Abraham a Sancta Claras Hauptwerk wird von vielen Literaturexperten die mehrbändige Traktatensammlung „Judas der Ertz-Schelm“ (1686 – 1695) eingeordnet. Besonders bekannte Texte von Abraham a Sancta Clara sind daneben das als Reaktion auf die Wiener Pest (1679) entstandene „Merck´s Wienn!“, das unter dem Eindruck der türkischen Belagerung geschriebene „Auff, auff, ihr Christen!“ (1683), die Predigtensammlung „Reimb Dich oder ich liß dich“ (1684) und “Huy! und Pfuy! der Welt“ (1707).
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